Juni/Juli 2018 - Durch Bärenland bis in den Yukon

27. Juni - 12 Juli 2018

 

Nach vielen Kilometern Flachland blicken wir wieder zu Berggipfeln empor...das heimelt uns richtig an!

Wir möchten die berühmten Nationalparks Banff und Jasper besuchen, in der Gewissheit dass wir wohl nicht die Einzigen sein werden. Fast die Hälfte der Nationalparkbesucher Kanadas zieht es in diese beiden Parks, im Banff zählt man ca. 3.6 Mio Gäste pro Jahr und im Jasper rund 2.1 Mio. Das ist eine ganze Menge, aber wir lassen diese Zahlen erstmal beiseite, unser Kopf ist (noch) frei.

Wir übernachten an den Ufern des Saskatchewan Rivers und kommen am Morgen früh von Osten her auf die schöne Bergstrasse Icefields Parkway die die beiden Parks der Länge nach verbindet. Südwärts geht es Richtung Banff, nordwärts Richtung Jasper. Wir wenden uns nach Süden und möchten an diesem Tag Lake Louise und den geheimnisvollen Moraine Lake erkunden. Am Morgen um acht Uhr "räblet" es aber schon gehörig in diesem Dorf und die Strasse durch das Tal bis zum Lake Moraine ist schon gesperrt wegen übervollem Parkplatz beim See hinten!

Wir haben es geahnt, wir sind eindeutig zu spät dran an diesem Morgen! Programmänderung: wir machen rechtsumkehrt, fahren wieder ein Stück nordwärts und machen eine schöne Wanderung zu den Bow Glacier Falls. Nur noch eine Hand voll Touristen sind hier auf dem Wanderweg unterwegs ;-)! Wir freuen uns über den türkisfarbenen Bow Lake, es geht entlang eines Flussbettes, durch einen steilen Canyon hinauf, bald stehen wir unter den Wasserfällen die aus einem Gletschersee über einen hohen Abbruch hinunterstürzen, wow!

Die nächsten Tage verbringen wir im Jasper-Park, wir lassen uns Zeit - ein herrlicher Blick jagt den anderen, wunderschön ist die Bergwelt hier! Die Flüsse und Seen kommen in schönstem Türkis daher, wir sehen unseren ersten Bären, machen schöne Wanderungen, geniessen die imposante Gletscherwelt, durchschreiten einen tiefen Canyon, blicken in tosende Wassermassen, tauchen ein ins kleine Städtchens Jasper, essen wieder einmal Pizza, "gönd chli go lädele"...es gibt viel zu sehen hier! Trotz der hohen Dichte an Parkbesuchern gefällt es uns sehr gut in dieser Gegend, wir sind begeistert! 

Was uns oft etwas irritiert, das zeigt sich hier unter diesen vielen Leuten wieder ganz speziell, ist die manchmal etwas unverschämte Art unser Auto und auch uns Zwei ganz offensichtlich und ungefragt abzulichten - Kamera hoch, Sucher auf Iveco und uns(!), Auslöser drücken, nochmals drücken und nochmals...keine Ahnung auf wie vielen Smartphones wir schon auf der Speicherkarte sind! Wir geben sehr gerne Auskunft, freuen uns über das Interesse und jeden Kontakt, plaudern viel, aber diese Art freut uns nicht so!

Wenn wir die Grösse und Dimensionen der nordamerikanischen Reisefahrzeuge sehen, ist unser Iveco nur ein "Läugeli" dagegen, klein und herzig, keiner Rede wert ;-)! Was man hier alles antrifft auf der Strasse, wir staunen immer wieder!

In diesen riesigen Trailers hat nicht nur eine Familie Platz, nein, da kann gleich die ganze Verwandtschaft mit auf Reisen!

Damit man ausgerüstet ist für jede Situation hängt man hinter dem langen Wohnmobil gleich noch den Jeep an, ein Boot, einen Anhänger mit zwei, drei Quads plus noch ein paar Kanus auf dem Dach! Aber nicht wenige haben hier im Alter nur noch einen Trailer, kein Haus und keine Wohnung mehr, so ist es verständlich noch ein Auto mitzuführt, es ist halt das ganze Leben dass sie mitführen. 

Und was uns auch noch sehr zu denken gibt ist eine Beobachtung auf dem grossen Campingplatz bei Jasper. Wir stehen hier mitten im Wald, das Areal ist gross, alle Plätze sind besetzt, es herrscht Hochbetrieb auf dem Campingplatz an diesem Wochenende. Rundherum hat es nichts als Bäume, es ist trocken, viele der Nadelbäume sind nicht mehr grün, sondern rot und dürr (befallen vom Borkenkäfer). Es gilt "Firebann" in der ganzen Gegend, die Feuerschalen sind mit Band überspannt damit es niemandem in den Sinn kommt hier Holz aufzuschichten und ein Feuer zu entfachen. Es dunkelt schon am Abend als der Ranger seine letzte Runde dreht, dann ist Feierabend. Wir trauen unseren Augen nicht, als 5 Minuten später mehrere Campingnachbarn rund um unseren Iveco ein Feuer anschmeissen, Fleisch auf den Grill werfen und die Party steigen lassen, Feuerbann hin oder her! Und wir dürfen uns nicht ausmalen, was passiert wenn auch nur einer dieser unzähligen dürren Bäume hier Feuer fängt an diesem windigen Abend...! Was soll man da sagen? 

 

So, genug des Rummels, wir brauchen wieder etwas mehr Ein- und Zweisamkeit, verabschieden uns vom schönen Jasper, fahren weiter auf dem Bighorn Highway bis Grande Prairie und erreichen bald Dawson Creek.

Hier in Dawson Creek stehen wir am Start des Alaska Highways, der "Mile 0"!

Der rund 2200 km lange Alaska Highway von Dawson Creek bis Delta Junction wurde als Verbindungs- und Nachschubstrasse während des 2. Weltkrieges gebaut und damals innerhalb weniger Monate fertig gestellt. Mit der Strasse bekam die USA eine Landverbindung zum entfernten Alaska. Viele Dörfer entlang der Strecke erlebten einen sozialen und wirtschaftlichen Aufschwung. Aber nicht für alle war die Strasse ein Glücksfall, für viele Indianer, man sagt heute "First Nation" brachte das Eindringen der Zivilisation grosse Veränderungen und Probleme mit sich.

Von Dawson Creek aus machen wir einen Schwenker über Chetwynd und möchten die rund 120 Holzskulpturen anschauen, die im ganzen Dorf verteilt sind, cool! Etwas weiter im Tal wartet der gewaltige Bennett Damm am grossen Williston Stausee, er ist mit über 1733 km2 Fläche der grösste Stausee in British Columbia. Wir entdecken am Ende einer Schotterpiste eine riesige Sandfläche. Super, da machen wir doch gleich ein paar Offroad-Runden!

Nach einer schönen Fahrt stossen wir bei Fort St. John wieder auf den Alaska Highway, und diesem werden wir nun ein Stück folgen. Da die Versorgung, je nördlicher man kommt immer spährlicher wird, besorgen wir uns in Fort St. John noch Nachfüll-Öl für den Iveco.

Über die Strecke von fast 400 km bis Fort Nelson steht im Reiseführer "Wald- und Farmland, weitgehend monoton..." - ja, da hat der Reiseführer nicht unrecht, wir teilen seine Meinung ;-). Dafür zeigen sich uns auf dieser Strecke Bären, hautnah! Wir übernachten in einer schönen Waldlichtung, die Sonne scheint und wir sind voller Vorfreude auf die nächste Bergstrecke. Dann, nach Fort Nelson wird der Alaska Highway richtig spannend. Es geht aufwärts in die Nordausläufer der Rocky Mountains, durch Berg- und Flussland...wunderschön! 

Immer wieder trifft man Reisende aller Art und aus aller Herren Ländern, solche wie wir, Weltreisende auf dem Motorrad, oder ganz hartgesottene auf dem Velo! Früh am Morgen auf dem Pass treffen wir einen Velofahrer aus Anchorage/Alaska. Er fahre mal husch von seiner Heimatstadt Anchorage aus bis nach New York, pedalt jeden Tag etwa acht bis neun Stunden und rund 150 km. In New York wollen sie Familie besuchen, er sei schon mal voraus gefahren, seine Frau komme dann mit dem Flieger nach. Wow, Hut ab! Er meint, wir sollen unbedingt im Tal unten bei der Testa River Lodge anhalten und einen Cinnamon-Bun essen, der beste ever!

Gesagt, getan...wir stoppen im Tal und kurz darauf sitzen wir draussen am Holztisch mit einer riesigen, warmen und verführerisch duftenden Cinnamon-Schnecke vor uns, der Zuckerguss tropft, unsere Finger kleben...mhhh, so fein!

Unseren nächsten Nachtplatz finden wir am breiten Flussbett des McDonald Rivers, alleine und versteckt stehen wir hier...es ist so schön, wir bleiben gleich zwei Tage! Das Wetter ist bunt durchmischt, von allem etwas, fleissig wechselnd ergibt das ein handfestes Aprilwetter! Wir sitzen an der Sonne, beobachten die schwarzen Wolken, springen zur rechten Zeit auf, werfen unsere Stühle unter den Iveco, verschwinden für eine halbe Stunde unters Dach...so, alles vorbei, weiter geht es mit dem Schönwetterprogramm! Der Fluss ist kalt, das Bad ist frisch, wir kochen auf dem Feuer und fühlen uns ein kleines bisschen wie die Trapper von früher!

Die Strasse führt uns weiter am dunklen, farbig schönen Muncho-Lake entlang. Wir wandern entlang eines breiten, steinigen Flussbettes durch ein Tal hoch, der See bleibt zurück und ist bald nur noch ein kleiner, blauer Fleck, links und rechts ragen Felswände empor, nichts stört die Ruhe. Auf dem Rückweg packt Beat mich plötzlich am Arm und flüstert "Achtung, da drüben steht ein Bär!" Was, ein Bär? Oh ja, da steht er und schaut ganz interessiert zu uns, er hat uns also bemerkt. Es ist ein Bärenmami mit zwei Jungen, wir sehen sie im Gras herumhüpfen, jöhhh!

Was steht schon wieder in diesem Büchlein der Touri-Info "Einmaleins für Bärenbegegnungen"? Erste Regel: ruhig bleiben! Hat der Bär den Menschen bemerkt soll man mit ruhiger, respektvoller Stimme sprechen, die Arme schwenken, den Bären im Auge behalten und sich langsam entfernen. Normalerweise sind Bären vorsichtig und weichen dem Menschen aus, nur wenn sie überrascht werden oder sich in die Enge getrieben fühlen werden sie sich verteidigen.

Wir machen einen grossen Bogen, der Bär lässt uns nicht aus den Augen, senkt dann aber bald den Kopf, sucht weiter nach Futter und geht seines Weges.

Der Mensch ist vergessen. Wir um ein schönes Erlebnis reicher! Ein spezielles Gefühle, einem Bären in freier Wildbahn so nahe zu sein!

 

Unser nächstes Ziel sind die Liard River Hot Springs, heisse Quellen mitten im Wald.

Wir ergattern uns einen der letzten Plätze auf dem Camping, wir sind hier in einem Provincial Park, das heisst, es darf nur auf einem Campingplatz übernachtet werden. Es herrscht viel Betrieb an diesem Sonntag, so verschieben wir das heisse Bad auf den nächsten Tag. Morgens um 4 Uhr (ja genau, um 4 Uhr in der Früh!) hüpfen wir aus dem Bett. Es ist hell, der Morgen ist still, wir spazieren über den Holzplankenweg in den Wald Richtung Bad. Wow, da steht doch ein Steinwurf von uns entfernt ein mächtiger Elchbulle im Sumpf! Ganz ruhig bleiben wir stehen und beobachten das herrliche Tier, toll!

Wir schleichen uns davon und lassen ihn weiterfressen...und schon tauchen wir ein ins herrlich heisse Wasser. Wir sind die ersten an diesem Morgen und haben den ganzen kleinen See für uns alleine.

Frisch, munter und sauber machen wir uns auf den Weg Richtung Watson Lake. Heute ist ein Glückstag für uns, wir sind im Kino, im Tierkino! So viele Vierbeiner wie an diesem Tag haben wir noch an keinem anderen Tag gesehen!  Bäre, Bisons, Hirsche, Stachelschweine, Eichhörnchen, Hasen... wir kommen kaum vom Fleck, jedes Tier ist ein Stop wert!

In Watson Lake wandeln wir durch den Schilderwald "Sign Post Forest", ins Leben gerufen von einem heimwehkranken Soldaten aus Illinois, der während der Bauarbeiten zum Alaska Highway ein Schild seines Heimatortes an eine Wand nagelte. Andere Arbeiter, Lastwagenfahrer und später unzählige Touristen folgten seinem Beispiel. Jeder Vorbeikommende darf ein beschriftetes Schild, einen Wegweiser, ein Autokennzeichen, eine Ortstafel an einem Pfosten befestigen. Mittlerweile soll der bunte Schilderwald auf ca. 80'000 Stück angewachsen sein. Watson Lake ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, es herrscht viel Betrieb im Ort, wir müssen noch Diesel auffüllen und stehen an der Tankstelle.

Unser Tanknachbar fragt uns wo wir denn hinfahren. "Auf dem Campell Highway Richtung Carmacks" "Oh, in dieser Richtung tobt ein Waldbrand, es besteht aber keine Gefahr, die Strasse ist offen, es wird wohl nur ein bisschen "smoky" für euch!"

Kaum haben wir Watson Lake verlassen sehen wir die riesige Wolke am Himmel, immer grösser wird sie, verhüllt bald die ganze Gegend, ein dunkler Deckel senkt sich über uns, der Himmel nimmt eine bedrohliche Farbe an und wir fahren mitten hinein in diese Wand! Wir machen alle Iveco-Klappen dicht, Grind abe, Fuess ufs Gas und dure! Der Spuck dauert gottlob nicht allzu lange, schon bald können wir die Rauchwolke hinter uns lassen und sehen wieder blauen Himmel.

Wir durchfahren eine Baustelle, im Schneckentempo schlängeln wir uns durch Maschinen und Bagger, Kies und Sand, es holpert und schaukelt, wir fahren einmal links, einmal rechts, und das auf etwa einer Länge von Zürich nach Luzern! 

Dann lassen wir alles hinter uns, es wird immer einsamer auf diesem Campell Highway, nur wenige Autos begegnen uns auf den fast 400 km Schotterstrasse bis Carmacks. Hügelauf, hügelab geht es, vorbei an Fischerseen, Flüssen und vielen vielen Bäumen, gerade mal zwei kleine Dörfern hat es unterwegs. 

Auf dem Klondike Highway fahren wir von Carmacks weiter bis 40 km östlich von Dawson City, dort zweigt der Dempster Highway ab und diesen Abzweiger nehmen wir!

So speziell wie er ist, der Dempster Highway, verdient er gleich einen eigenen Blogeintrag, ihr könnt nahtlos weiterlesen!

  


Diese Karte zeigt unsere Route vom 27. Juni - 22. Juli 2018, bis nach Dawson City, ist also auch gleich für den Blogeintrag vom Dempster Highway...