Juli 2018 - Auf dem Dempster Highway...

12. Juli - 22. Juli 2018

 

Wir wollen ihn fahren, den Dempster Highway...die einzige Strasse in Kanada die über den Polarkreis hinausführt, 737 Kilometer sind es bis nach Inuvik, 150 weitere Kilometer bis Tuktoyaktuk an den arktischen Ozean, die ganze Strecke ist Schotterstrasse. Drei Ortschaften sind an der Strecke, die erste erreicht man nach 550 km Fahrt, die nächste bald danach und die dritte ist schon Inuvik.

Hier oben soll die Einsamkeit des Nordens noch so richtig spürbar sein...wir sind gespannt!

Wir sind vorbereitet, der Tank ist randvoll, wir lassen Luft aus den Reifen, und los geht es!

Bei unserem ersten Halt treffen wir schon auf einen Schweizer und zwei Deutsche, lustig, bestimmt werden wir uns wieder sehen, es gibt nur diese eine Strasse, alle die hier rauffahren kommen auch auf dieser Strasse wieder retour.

Bald steigt die Piste an und führt uns über den ersten Pass, herrlich ist es hier! 

Wir durchqueren wunderschöne Berge, fahren durch baumlose weite Ebenen und können uns kaum satt sehen, sonnendurchflutet, klar und farbig liegt die Landschaft vor uns wie ein Gemälde!

Schwer vorstellbar wie viele hunderte Quadratkilometer Niemandsland uns umgibt, an wie vielen Stellen noch kein Menschenfuss den Erdboden berührt hat! Ehrfürchtig schweifen unsere Blicke durch diese Einsamkeit und Weite!

Nach rund 400 km erreichen wir den Arctic Circle und sind nun über dem 66. Breitengrad, bei km 465 wechseln wir vom Yukon in die Northwest Territories und überqueren auf dem Wright Pass entgültig die Wasserscheide zwischen dem Nordpolarmeer und dem Pazifik. Der Zustand der Strasse reicht von recht gut bis miserabel.

Die ganze Strasse verläuft auf einer isolierenden Schotterschicht über dem Permafrostboden. Klimatische Bedingungen, Erosionen und die schweren Trucks setzen der Strasse ständig zu, immer muss man auf Überraschungen gefasst sein, ständig wird an der Strasse gearbeitet um sie instand zu halten.

Bis nach Inuvik gibt es zwei brückenlose Flüsse zu überqueren, die Fähren fahren bis um Mitternacht.

Nun im Hochsommer sind die Tage endlos lang und hell, die Nacht geht fast vergessen und verschmilzt mit dem Tag...auch wir passen unseren Rhytmus an, machen längere Pausen am Tag und fahren in die Nacht hinein. Die Zeit interessiert uns nicht, wir geniessen diese nicht endenden Tage!

Und dann sind wir hier, in Tuktoyaktuk...fahren durch das kleine Dorf bis ans Ende der Strasse "End of the road", blicken auf diesen Ozean, schauen uns an und fragen uns "Sind wir jetzt wirklich hier?" "Ja, wir sind tatsächlich hier, yehh!" 

Lange davon geträumt, viel darüber gesprochen, nun stehen wir hier oben, unsere Landkarte ist fertig, wir würden über die Kante fallen wenn wir noch weiter fahren, es gibt hier kein Weiter mehr!

Die Strasse von Inuvik bis nach Tuktoyaktuk wurde erst letztes Jahr (2017) fertig gestellt, das heisst es ist für die Einwohner dieses Dorfes der erste Sommer in dem Touristen mit dem eigenen Auto bis hierher zu ihnen fahren. 

Gut ein Dutzend Wohnmobile stehen auf dem Platz am Meer, Motorradfahrer kommen an, es ist wie ein grosses Camp mit einem bunten Gemisch von allerlei Reisenden. Mit uns stehen an diesem Abend noch zwei andere Schweizer Autos hier "Salü zäme"! Wir verbringen die Nacht am Polarmeer, machen einen Spaziergang durchs Dorf, es ist warm, die Sonne geht nicht unter, alle sind draussen, wir sitzen zusammen...friedlich und schön ist es hier (wenn nur mal die Mücken nicht wären...)! Für die Einheimischen sind wir Touristen wohl eine spannende Abwechslung, gwunderig machen sie immer wieder ihre Runden auf dem Quad, lachen hinter dem Steuer oder winken uns zu. Ein spezielles, hartes Leben führen diese Menschen hier oben.

 Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Rückweg. Verteilt stehen einige grüne Hügel in der Landschaft rund ums Dorf, das sind sogenannte "Pingos" aufstossendes Permafrosteis, von Gras überwachsen.  

In Inuvik können wir tanken, Wasser auffüllen und einen Shop gibt es auch, rund 3800 Einwohner zählt diese grösste Siedlung nördlich des Polarkreises. Wir fahren weiter bis zum Frog Creek, dort treffen wir uns mit Sepp zum Fischerkurs, essen zusammen und bleiben für die Nacht hier. Wir haben eine eigene Fischerrute dabei, Beat wartet schon lange auf den  Augenblick diese ins Wasser zu halten. Sepp ist ein begeisterter, erfahrener Fischer, also der richtige Mann um Beat zu zeigen wie man einen Fisch vom See auf den Tisch bringt, mit allem drum und dran. Es dauert nicht allzu lange bis ein schöner Hecht anbeisst, juhuu, der erste eigene Fisch ist gefangen, und was für ein Kerl...hart verdient bei dieser Mückenplage! Es läuft wohl so heute Abend: Der Hecht frisst den kleinen Fisch...wir essen den grossen Hecht...und die Mücken fressen uns! Also, die letzten beissen die Mücken und diese spielen heute hier am Frog Creek total verrückt :-0!

Es gesellen sich noch zwei andere Wohmobile zu uns, Mücken hin oder her sind wir noch eine Weile draussen - "Wisst ihr wo der Uhrzeiger steht?" "Nö" "Auf Viertel vor eins!" "Guet Nacht!"

Wir verschlafen den halben nächsten Morgen...was, schon halb zehn Uhr! Für uns Frühaufsteher ist das richtig spät, haha! Raus aus den Federn! Sepp ist schon über alle Berge.

Es liegen noch rund 550 km vor uns. Das Wetter ist uns nicht mehr so hold wie auf dem Hinweg, es regnet immer mehr, die Strasse ist zum Teil sehr mühsam zu befahren. Wir kämpfen uns durch Schlamm und Schlaglöcher, es ist steinig und ausgeschwemmt und fühlt sich an als pflügen wir uns durch tiefen, nassen Schneematsch, der Dreck klebt wie Beton am Auto! Unser Tempo liegt über eine weite Strecke bei ca. 30 km/h. 

Halb so schlimm, wir haben Zeit, kein Termin zum "Ross bschla" steht in der Agenda, das heisst wir finden gar keine Agenda im Iveco ;-)! Was wir heute nicht fahren, fahren wir dann morgen, oder übermorgen, oder irgendwann!

Bei Eagle Plains, dem einen Punkt wo man neben den zwei kleinen Dörfern bis Inuvik tanken kann, werden wir angehalten. Die Strasse ist gesperrt, irgendwo im Tal hat ein Erdrutsch die Fahrbahn verschüttet, es muss noch fertig geräumt werden. Nach rund 3 Stunden können wir weiterfahren, aber anscheinend ist der Rutsch noch nicht sicher. Bis wir gegen Abend an der betreffenden Stelle sind, ist die Strasse wieder gesperrt.

Egal, wir wollen eh einen Nachtplatz suchen, fahren ein Stück retour und stellen uns auf den Pass, inklusive schönster Rundumsicht. Goldig leuchten die Berge, es geht ein Regen nieder und schon spannt sich ein Regenbogen über den Himmel, super!

Der nächste Tag ist sonnig, der Erdrutsch geräumt. Wir lassen uns viel Zeit für die restlichen Kilometer, bleiben nochmals eine Nacht hier in der Wildnis, verweilen...dieser Teil der Strecke ist besonders schön!

Wir sehen einen Luchs, einen Elch, und fünf junge Füchse bei einer Höhle gleich neben der Piste, sie spielen und balgen sich die längste Zeit und wir harren mucksmäuschenstill und beobachten sie, so herzig!

Und dann sind wir retour beim Abzweiger...der Dempster liegt hinter uns, spannend war es, ein Abenteuer und sicher ein Höhepunkt unserer Reise!

Bis zur Goldgräberstadt Dawson City sind es 40 km, unser nächstes Ziel.

Der Iveco erstrahlt nach einer gründlichen Reinigung wieder in seiner ursprünglichen Farbe, kiloweise Dreck spülen wir ab. Ich verschwinde mit unserem Wäscheberg in der Laundry, wir waschen allen Staub ab...und sind bereit für Dawson City, die Goldgräberstadt!

Im Jahr 1896 stiess man hier auf Gold und löste damit den "Klondike Goldrush" aus. Über 100'000 Menschen sollen damals in der Hoffnung auf den schnellen Reichtum den Weg nach Norden genommen haben, nur 30-40 % von ihnen erreichten tatsächlich ihr Ziel. Die meisten überquerten mitten im Winter den berüchtigten Chilkoot Pass, nur um bei Ankunft erkennen zu müssen, dass die besten Claims schon lange vergeben waren. Es blieb ihnen nur die Arbeit als Claimholder. Dawson City wuchs schnell auf über 30'000 Einwohner an, alles musste über Tausende von Kilometern herangeschafft werden.

Im Jahr 1900 betrug die Ausbeute an Waschgold aus Bächen im Yukon fast 34'000 kg Gold. Heute sind es jährlich mit 140 aktiven Minen noch 1600 kg im Wert von ca. 60 Mio Dollar. Verrückt was hier alles schon umgegraben wurde! Der Boom dauerte damals nur wenige Jahre und Dawson City schrumpfte wieder zum Dorf. 

Heute ist Dawson City ein Besuchermagnet, viele historische Gebäude wurden sorgfältig restauriert oder abgerissen und orginalgetreu wieder aufgebaut. Die Strassen sind nicht gepflastert, die Gehwege aus Holzplanken.

Wir erkunden diese Goldgräberstadt und wähnen uns in der Zeit von damals, all die schönen Fassaden, die alten, schrägen Häuser, die kleinen Shops, herrlich, uns gefällt diese staubige Stadt! Eine Nacht stellen wir uns auf den Camping in Downtown, fühlen uns aber wie die Ölsardinen, so erwählen wir für die kommenden Nächte den Aussichtsberg von Dawson City, 600 Meter über der Stadt, als unseren Schlafplatz, der Schweizer Sepp ist mit von der Partie. Herrlich ist es hier oben! Wir geniessen am Tag die Stadt, plaudernd da und dort, treffen auf Leute denen wir auf dem Dempster begegnet sind oder die wir sogar schon ganz im Osten von Kanada gesehen haben, besuchen mit Sepp an einem Abend eine Can-Can-Show im Kasino, machen einen kleinen Ausflug zu den Claims der Goldgräber...und schauen am Abend von unserem tollen Höckli über die Stadt und den tief unter uns fliessenden Yukon River!

 

In der Goldgräberstadt Dawson City...

Nun heisst es Bye Bye Yukon - Welcome Alaska!

Die Grenze liegt nah, in wenigen Kilometern wechseln wir von Kanada nach USA/ Alaska!