2021 - Sizilien


10. November - 06. Dezember 2021

 

Der Winter naht in schnellen Schritten, wir möchten noch etwas in den Süden und entscheiden uns für Sizilien. Schnell sind wir im Tessin und am Tag darauf  in Genua, die fast leere Fähre bringt uns in 20 Stunden von Genua nach Palermo. Wir waren noch nie auf dieser Insel und sind gespannt was uns erwartet. Erst spät am Abend legt die Fähre in Palermo an, wir haben einen Tip und fahren für die erste Nacht direkt  auf den Monte Pellegrino, den Hausberg von Palermo. Hier oben verbringen wir eine erste ruhige Nacht, am nächsten Morgen lacht die Sonne, es ist angenehm warm und wir freuen uns diese Insel zu entdecken!

Wir schlängeln uns durch den Verkehr von Palermo, sind schon bald beim Dom von Monreale, besichtigen die schöne  Anlage und die Kirche und trinken am Dorfplatz an der Sonne den ersten italienischen Cappuccino, herrlich!

Wir lenken den Iveco in den nordwestlichen Zipfel von Sizilien, fahren über Castellammare del Golfo, machen einen  Abstecher nach Scopello, fahren weiter bis nach Macari und finden ein gutes Plätzli nahe am Meer...so schön, das Rauschen der Wellen im Ohr, der Blick auf das Wasser!  Locker verteilt stehen noch ein paar andere Camper hier, aber viel ist nicht mehr los.  Hinter der Bergkette liegt das Zingaro Naturreservat, wir wandern  oberhalb der Küste dem Meer entlang, die Pflanzenwelt ist üppig, es hat schöne Buchten, wenige Leute, wir geniessens! Auf dem Rückweg bummeln wir durch San Vito Lo Capo, im Sommer ein beliebter Ferienort, jetzt ist es ruhig, vieles ist geschlossen, Winterruhe kehrt ein.

Am nächsten Tag fahren wir nochmals in den Zipfel nach San Vito, stellen den Iveco auf den Parkplatz, gehen an den Strand, noch husch in den Supermärt  und als wir unser Auto wieder starten wollen macht er keinen Mucks mehr. Schlussendlich überbrückt uns ein netter Italiener, der Iveco läuft, wir fahren retour zum Nachtplatz von gestern und studieren ob es sein kann dass unsere knapp 1-jährige Batterie schon dahin ist? Wir geniessen den Nachmittag und verschieben das Problem mal auf den nächsten Tag. Es ist dann so wie wir geahnt haben, der Iveco springt auch am anderen Morgen nicht an. In weiser Voraussicht haben wir uns gestern nicht ins Abseits gestellt, sondern stehen "erreichbar" bei einem Parkplatz an einer kleinen Nebenstrasse. Es fahren hier nicht viele Autos vorbei, aber doch immer mal wieder einer. So einen halten wir an und fragen ob er uns wohl überbrücken kann, ja klar, kein Problem, nach kurzer Zeit läuft der Iveco , vielen Dank, gibt es hier in der Nähe eine Garage?... ja, fahrt zwei Dörfer weiter, dort hat es einen Autoelektriker, super! Wir machen uns auf den Weg , finden die Garage, schildern unser Problem und nach einer Batterie-Kontrolle ist der Fall klar. Kurze Zeit später haben wir eine neue Batterie im Auto, sagen dem netten Mechaniker vielen Dank und sind froh ist das Problem schon gelöst. 

In vielen Kurven schlängelt sich die Strasse hoch nach Erice, kaum haben wir parkiert bricht ein Wolkenbruch über uns her, Nebel zieht auf, wir sehen nichts mehr. Wir warten, verschieben uns auf einen anderen Parkplatz, gegen Abend lichtet sich das Wetter für einen Moment und wir machen uns hurtig auf ins Städtli. Die Gassen sind menschenleer, der Blick von hier oben nach Trapani und ins Umland wunderbar mit dieser Stimmung  und die feinen Stückli aus der Pasticceria versüssen uns den gemütlichen Abend bei weiterem Donnergrollen, Hagel und Sturm!

Über Trapani und die schönen Salinen geht es ins Landesinnere, zum Parco Archeologico Segesta. Zwischen Sonne und Regen erkunden wir den schönen Tempio Dorico und marschieren den Berg hoch zum Teatro Creco. Später fahren wir querfeldein weiter und parkieren am Abend an einem ganz speziellen Ort im Hinterland,  dem "Grande Cretto" von Gibellina.

Bei einem gewaltigen Erdbeben im Jahr 1968 im weiten Tal von Belice wurde die Stadt Gibellina komplett zerstört, viele Tausende Menschen wurden obdachlos. Auf den Trümmern der Hausruinen, der Strassen und Wege der alten Stadt schuf der italienische Künstler Alberto Burri  eine der grössten Landschaftsskulpturen der Welt. Er legte einen gigantischen Betonteppich über das ehemalige Dorf, anstelle der Häuserblöcke wurden circa anderthalb Meter hohe Betonmonolithen gegossen, dazwischen blieben die ehemaligen Gassen begehbar, ein monumentales, spezielles Werk!

 Als abstrakte, moderne Retortenstadt wurde Gibellina Nuova einige Kilometer entfernt komplett neu aufgebaut. Als sie mehr als zehn Jahre nach dem Erdbeben endlich bezugsfertig war, hatten viele Bewohner die Barackenanlagen in denen sie lange ausharren mussten schon verlassen und an einem anderen Ort ihr Glück gesucht, es herrschte gähnende Leere in den grosszügig angelegten Strassen, die alten Bewohner von Gibellina konnten sich nicht recht anfreunden mit dieser neuen Stadt. Bis heute wird das neue Gibellina als anonym und unwirtlich wahrgenommen, vieles wurde nicht fertig gebaut, steht leer, ist verwahrlost...die Seele der Stadt liegt begraben unter der Betondecke im alten Gibellina. 

Wir wandeln durch das Labyrinth aus Beton und finden es ganz sonderbar, grosses Leid hat dieses Erdbeben hier hinterlassen, wie machtlos sind wir gegenüber der Natur! Es ist still, sehr still auf dem Parkplatz neben dem Grande Cretto in dieser Nacht, für uns ist es aber nicht unheimlich, eher fühlen wir uns hier irgendwie bewacht und aufgehoben...

 

Im Herbst hat es viel geregnet in Sizilien, die Unwetterschäden sieht man noch überall, vor allem hier im Hinterland sind die schmalen Nebenstrassen zum Teil kaum passierbar, der Iveco pflügt sich durch Erdrutsche, Schlamm und viel Wasser. Wir kommen an einem weiteren zerstörten Dorf vorbei, Poggioreale Vecchia, nach ein paar Kilometern durchfahren wir das neue geometrische Poggioreale.  

Wir steuern dem Meer entgegen und sind bald in Selinunte, einer weiteren schönen, umfangreichen Tempelanlage die uns sehr gefällt. Wir marschieren von Tempel zu Tempel, schauen ins Museum, machen Pause im Schatten der Bäume und blicken aufs blaue Meer unter uns, herrlich! Der Südküste entlang fahren wir gegen Osten, machen Abstecher ins Hinterland, steigen auf die weissen Felsen der Scala dei Turchi, spazieren durch das Valle dei Templi und begegnen dem gestürzten Ikarus, kurven durch die Berge hinauf nach Enna, übernachten auf einem Bio-Agritourismo inklusive feinem Nachtessen, sind beeindruckt von den wunderschönen Mosaiken in der Villa Romana bei Piazza Armerina, besuchen die Keramikstadt Caltagirone und das Castello di Donnafugata, staunen was hier alles wächst in diesem südlichen Klima...und geraten fast in Not auf einer kleinen Nebenstrasse!

Auf der Hauptstrasse verweigert uns eine Fahrverbotstafel die Durchfahrt, wir überlegen ob die wohl aktuell ist oder schon länger hier steht, schauen auf die Karte und entscheiden uns eine einspurige Nebenstrasse zu nehmen die zum gleichen Ziel führt. Alles ist gut, ein paar kleine Erdrutsche sind zu umfahren, zum Teil liegt Schlamm und Wasser auf der Fahrbahn, aber kein Problem. Es geht durch schöne Landschaft, entlang eines kleinen, leeren Stausees, wir umrunden einen Hügel...und stehen plötzlich vor dem Nichts, ein grosses Loch klafft im Teer, die Strasse ist weg, unterspült, alles Material ins Tobel verschwunden - ohne Markierung oder Hinweis, nichts! Wehe dem der hier nachts in einem rasanten Tempo angefahren kommt! Rechts von uns geht es opsi, links geht es nitzi in die Schlucht, der Platz ist knapp,  neben dem Teer ist alles sumpfig, wenden wäre fast unmöglich!

Wir steigen aus und inspizieren alles: rechts neben dem Loch hat es eine Spurbreite Platz, dann kommt ein Mäuerchen, das sollte für ein Durchkommen reichen, den Spuren nach haben sich hier schon einige durchgequetscht, aber unser Iveco ist halt kein kleiner Fiat. Auch weiter vorne ist die Strasse ausgeschwemmt und kaputt, voller Gräben und Löcher. Wir schleppen ein paar Teerstücke und Steine ans richtige Ort und Beat meint, so sollte es passen. Ich bleibe draussen, Beat startet den Iveco und rollt langsam an, ich kann kaum hinsehen, durch meinem Kopf geistern die schlimmsten Szenarien...wenn beim unterspülten Loch ein Stück Teer abbricht, wenn weiter vorne der Iveco in den Graben wegrutscht und umkippt? Zum Glück geht alles gut, ein Stein fällt mir vom Herzen, bravo Beat, du hast das wieder einmal super gemeistert und gut eingeschätzt! Unsere pochenden Herzen beruhigen sich langsam und weiter gehts!

 

Wer kennt nicht unser Schweizer Ragusa? Wir besuchen nun das Ragusa in Sizilien, ein wunderschönes Städtchen verteilt auf zwei Hügeln. Ich liebe es durch schmale Gassen zu schlendern, treppauf- und treppab, inmitten von alten Häusern die viel zu erzählen hätten...wir lauschen dem Glockengeläut des Doms von San Giorgio, trinken am Platz einen Granatapfelsaft an der Sonne und essen das wohl beste Cannoli! Über Modica fahren wir wieder ans Meer, in den südöstlichen Zipfel von Sizilien. Das Wetter war bis jetzt recht  wechselhaft,  immer wieder Regen und Gewitter, aber auch viel Sonnenschein. Nun stehen wir am Meer und es schüttet nur, wir bleiben zwei Nächte am Ort, dann hellt es auf, wir machen uns auf den Weg ins schöne Noto, und fahren weiter übers Land zur Cava Grande, einer eindrücklichen Schlucht mit vielen Höhlen in den Felsen. Nach einer Wanderung finden wir auf dem Grat ein super Plätzli mit Aussicht, es fängt an zu regnen und zu stürmen und will die nächsten zwei Tage nicht mehr aufhören. Wir bleiben stehen und machen Pause...lisme, läse, bache, choche, Kino usw...

Das Wetter bleibt instabil, in einer Regenpause stürmen wir Siracusa, die geschichtsträchtige Stadt am Meer, fahren zügig ein Stück Richtung Norden und sind am Fusse des Ätnas. Wir hoffen auf einen Vulkanausflug, aber der Blick auf das Wetterapp verheisst nichts Gutes. Es gibt eine Strasse bis hinauf zum Refugio Giovannino auf knapp 2000 müM, von dort gelangt man mit einer Seilbahn bis auf 2500 müM, weiter in die Höhe geht es dann zu Fuss oder mit einer geführten Vulkantour, das wäre natürlich toll! Die Wolken hängen tief, es regnet und stürmt als wir auf den Ätna zufahren, auf einer Höhe von 1000 müM fängt es an zu rieseln, wir stellen uns auf einen Parkplatz, übernachten hier und warten mal ab wie es am anderen Morgen aussieht. Der Schneepflug weckt uns, der Iveco versteckt sich unter einer weissen Decke und auf der Strasse wird fleissig gepflügt, es scheint uns als seien wir im tiefen Engadiner Winter...natürlich haben wir schon in der Nacht die sanften Flocken bemerkt die sich auf unser Dachfenster legten und den Vollmond aussperrten  ;-). Der Vulkanausflug ist somit gestrichen. Wir fahren ein Stück um den Berg und nehmen am Nachmittag, nach ein paar wärmenden Sonnenstrahlen, von Zafferana aus nochmals die Strasse in die Höhe bis zur Schneegrenze, ein toller Blick von hier oben! Über Francavilla die Sicilia geht es Richtung Berge und Richtung Norden. Wir finden ein super Nachtpätzli  bei einem kleinen Geisterdörfli, stehen hier wie auf einer Terrasse mit direktem Blick auf den Ätna, wow! Am anderen Tag ist das Wetter ganz gut, wir bleiben den ganzen Tag an diesem friedlichen Ort stehen, sitzen draussen und schauen zu wie der Vulkan leise vor sich hinräuchelt und zwischendurch sogar ein bisschen hustet...wie cool wäre es wenn wir jetzt hier von unserem Logenplatz aus so einen richtig fauchenden, speienden, rot glühenden Ätna erleben könnten!

Auf schöner Strecke kurven wir über die Berge zur Nordküste, fahren ein Stück der Küste entlang, machen nochmals eine Schlaufe ins Hinterland bis wir uns langsam Palermo nähern.

Das Wetter ist kalt, es regnet immer wieder und in höheren Lagen hat es Schnee, Besserung ist nicht in Sicht. So entscheiden wir uns kurzerhand die Fähre etwas vor zu verschieben, das ist gar kein Problem, war sie auf der Hinfahrt schon fast leer sieht es auf der Rückfahrt nicht anders aus...und schwups schon fahren wir in Genua von der Rampe, nehmen Kurs Richtung Tessin und sind bald zu Hause im Säuliamt.

 

Die Insel hat uns sehr gut gefallen, es gäbe noch vieles zu entdecken, von der Zeit her waren wir etwas spät dran oder der Herbst war dieses Jahr einfach ausserordentlich nass und kalt in Sizilien. Gerne hätten wir noch mehr Zeit  in den Bergen verbracht,  Schnee Ende November haben wir nicht erwartet, aber keine Regel ohne Ausnahme, genossen haben wirs trotz allem!