November 2024 - Argentinien/Entlang der Ostküste durch Patagonien

04. November - 17. November 2024

 

Unser nächstes Ziel ist wieder die Küste. Im frühen Morgenlicht brechen wir auf, verlassen die schöne felsige Oase in diesem Flusstal vom Rio Chubut bei Florentino Ameghino und fahren viele Kilometer durch die Pampa, zurück ans Meer nach Camarones. 

Wir stoppen bei einer Pilgerstätte von Gauchito Gil. Es gibt viele dieser Schreine an den Strassen von Argentinien, kleine, grössere, alle bestückt mit roten Fähnchen, meist kleine Häuschen mit einer Figur im Inneren und Gaben für Gauchito, Zigaretten, Schnaps, Bier. 

Gauchito Gil wird verehrt in Argentinien, er ist wie ein Volksheiliger, der Robin Hood der Argentinier, er bestahl die Reichen und gab es den Armen. Laut Legende wurde er gefangen genommen und sollte gehängt werden. Gauchito Gil sagte zum Henker er solle zu ihm beten, dann werde sein Sohn gesund. Der Henker vollzog das Urteil, als er nach Hause kam war sein Sohn krank. Er betete zu Gauchito Gil und siehe da, sein Sohn wurde gesund. Nach diesem Glück baute der Henker eine Pilgerstätte für den verehrten Gil und erzählte allen Leuten von seinem Glück und vom wunderbaren Gauchito Gil.    

Auch heute noch wird Gauchito Gil verehrt, es ist üblich zu hupen wenn man an einem Schrein vorbei fährt um Gil zu grüssen. Im Gegenzug hofft man auf eine unbeschwerte, unfallfreie Reise.

Zu dieser Geschichte haben wir von unserer viel in Südamerika gereisten Tochter ein 2-Pesos-Nötli mit einer handnotierten Gauchito Gil Widmung bekommen. Sie hat uns ihr jahrelanges Glücksnötli weitergegeben und zusammen mit einem handgeschmiedeten Glückshufeisen von unserem Sohn hoffen wir dass das Glück stets an unserer Seite bleibt.

Nach einer Pause am Meer in Camarones besuchen wir die Pinguine auf dem Zipfel Cabo Dos Bahias. Der Himmel wird grau und immer mehr Wind kommt auf. Draussen bei den Pinguinen laufen wir auf einem Steg durch die Kolonie, überall sind die herzigen Tiere am brüten, viele sieht man aber kaum in ihren Höhlen, dazu pfeifft uns die Bise um die Ohren dass wir kaum die Augen offen halten können, schnell zurück zum Iveco, puhh!

Heute müssen wir einen guten Nachtplatz suchen. Wir nehmen die RP1 unter die Räder und bleiben bald halb windgeschützt stehen.

Früh sind wir wach am nächsten Morgen und fahren schon um 06.15 los, hinein in die schönste Morgenstimmung. Eine schöne Strecke erwartet uns, fahrtechnisch spannend, und wie immer auf diesen Pisten kommen wir nur langsam voran, geniessen das Alleinsein auf weiter Flur, entdecken immer etwas am Strassenrand, lenken den Iveco durch die knifflige Passagen, öffnen und schliessen viele Weidetore und haben keine Eile. 

Auch diese Strecke hat ein Ende, wir erreichen die Hauptstrasse und durchfahren bald die Stadt Comodoro Rivadavia. Was für ein Wind und Sturm, wir sehen kaum etwas, so voller Staub ist die Luft. Ein PW fährt neben uns her auf der 2-spurigen Strasse, der Fahrer gestikuliert und winkt, Beat fährt langsamer und lässt die Scheibe herunter, der Mann lehnt sich zum Fenster hinüber, deutet auf unseren Iveco und schreit „Precaucion con su coche…mucho viento, mucho viento!“ - vielen Dank, ja, wir passen auf, darum verkriechen wir uns auf den Campingplatz in Rada Tilly mit super Windschutz zwischen den Bäumen.

Ein Stück südlich und etwas im Landesinnern ist der Nationalpark „Bosques Petrificados de Jaramillo“, dort möchten wir hin, reisen in Gedanken schon mal 150 Millionen Jahre zurück, schliessen die Augen, sehen die dichten Wälder stehen mit urigen, mächtigen Bäumen, es ist grün und feucht, Dinosaurier sind unterwegs, sie suchen nach Nahrung, sind unruhig, ahnen vielleicht Böses, heben den Kopf und halten inne, ein ängstliches Gebrüll hallt durch die Wälder, heftige Explosionen lassen die Erde beben und die Bäume erzittern, Aufruhr herrscht, voller Panik flüchten die Tiere, der Himmel wird bedrohlich dunkel, es regnet Steine, Feuer und Asche, ein mächtiger Lavastrom ergiesst sich grollend aus dem Vulkan, lässt die Bäume knicken und bedeckt alles mit einer dicken glühenden Schicht, das ganze Tal wird begraben und ruht für viele viele Jahre…zurück bleiben Millionen Jahre später in unserer Zeit der alte Vulkan „Madre e Hija“, Mutter und Tocher, und viele versteinerte Baumstämme die an die Erdoberfläche zurück gefunden haben, wir nun anschauen und ehrfürchtig berühren können, ein Stück uralter Geschichte. 

Der Weg zu den Bäumen ist für uns eine weitere Pistenfahrt. Wir durchfahren das Tor zu einer Hacienda und rollen über eine endlose, flache Ebene. Am Horizont sehen wir Fatamorganas, es erheben sich Berge wo keine Berge sind, Nebelschleier liegen über dem Land wo gar kein Nebel ist, als schwarze Silhouetten galoppieren Guanakos dem Horizont entlang, eine Scheinwelt die sich beim näher fahren in Luft auslöst, ausser die Guanakos, die sind richtig echt und es hat viele, auch viele Schafe, die immer in heller Panik davonstieben kaum sehen sie uns aus der Ferne anrollen. Es wird hügeliger und immer schöner, wir geniessen die Strecke. Ein Hacienda-Schild löst das andere ab, die Farmer hier haben riesige Ländereien, Häuser sehen wir kaum, entweder verstecken sie sich oder es ist nur das Land eingezäunt und mit einem Schild gekennzeichnet. Bei einem kurzen Stop laufe ich ein paar Meter um den Iveco, plötzlich stiebt ein braunes Hühnchen davon, mein Blick wandert auf den Boden, da liegt ein rundes, flauschiges Nest mit 9 grünen schönen Eiern, zum Glück habe ich keinen Schritt mehr gemacht. Schnell fahren wir weiter, wir möchten das Tierchen nicht stören beim Brüten.

Tafelberge tauchen auf und farbige Hügel begleiten uns, es ist schon spät als wir endlich den Nationalpark erreichen. Der Ranger lässt uns noch auf den Rundgang und sagt, wir dürfen auch hier auf dem Parkplatz übernachten, super. Wir marschieren den Hügel hoch und schon sind wir bei den ersten versteinerten Baumstämmen, weitere folgen, makellose ganze Exemplare mit einem beachtlichen Durchmesser, oder in Stücke zerbrochen, vor 150 Millionen Jahren begraben und nun wieder aufgetaucht. Wir sind beeindruckt und die Stimmung jetzt am Abend ist wunderschön mit all diesen Bergen rund um uns. Der Ranger meint wir sollen bitte im Auto bleiben und nicht mehr rumspazieren am Abend, er mache jetzt Feierabend. Klar, das machen wir.

 

288 Kilometer sind es von hier bis nach Puerto Deseado. Auf dem Camping erwarten uns Adolf, Duri und Rose, auch zwei Fribourger sind hier, ein richtiger Schweizer Haufen. Es ist Donnerstag und bis am Sonntag bleiben wir nun hier, wir haben nämlich einiges vor.

Rose hat schon mal bei „Darwin Expediciones“ Bootstouren vorreserviert für uns alle. Am Freitag machen wir eine 2-stündige Abendtour auf dem Rio Deseado, dieser mündet hier ins Meer, die Strömung des Atlantiks drückt das Meerwasser aber rund 40 Kilometer landeinwärts und schafft so ein ideales Brutgebiet für Seevögel. Wir beobachten an den steilen Klippen verschieden Kormorane und Seeschwalben, es gibt eine Kolonien von Magellan-Pinguinen, viele Seelöwen und Delfine. Wir bekommen alle Tiere zu sehen, die Tour ist superschön und Roxanne, unser Guide, erzählt uns viel über die Flora und Fauna in dieser Gegend. Am Samstag hat Adolf Geburtstag, ich backe ihm einen kleinen Kuchen und zur Feier des Tages gibt es einen Znacht  zu fünft im Restaurant.

Der Sonntag ist nochmals für eine Tour reserviert. Schon früh am Morgen um 07.30 sind wir ready, nehmen Louis und Francine im Iveco mit bis zum Bootsableger. Wir haben heute quasi eine Privatour, nur wir 7 Schweizer gehen an Bord des schnellen Boots, Roxanne ist wieder unser Guide. Wir fliegen übers Wasser der 25 Kilometer entfernten „Isla Pingüino“ entgegen und was wir in diesen Stunden wieder alles an Tieren sehen ist gigantisch, wir sind begeistert von dieser Tierwelt hier an der Ostküste von Argentinien und hätten nie erwartet so viel zu erleben. 

Delfine umkreisen das Boot, gleiten wie Pfeile durchs Wasser und springen immer wieder hoch. Von überall tönt es „Wow, so schön, lueg mal, wow, mega schön!“, alle von uns haben den ganzen Tag ein Lachen und Entzücken im Gesicht, wir sind hin und weg! Wir umkreisen die Felsen, die Vögel kreischen, die vielen Seelöwen wälzen sich in der Sonne und ganz speziell anzusehen ist die Horde Seelöwen die sich im Wasser tummelt. Sie schwimmen um die Wette, das Wasser brodelt von den glänzend schwarzen Tieren, eins ums andere springen sie hoch wie Delfine, tauchen wieder ab und schiessen erneut aus dem Wasser, ein wunderbares Schauspiel! Und dann die Pinguine auf der Insel - wir landen an und spazieren über den Hügel mit dem Leuchtturm. Roxanne erzählt uns dass vor vielen Jahren 11 Leute hier gewohnt haben, der Leuchtturm ist noch ganz, der Rest des Hauses aber zerfallen. Auf der einen Seite der Insel brüten die Magellanpinguine, es ist bald Zeit dass die kleinen Pinguine schlüpfen, und tatsächlich sehen wir unter den Flügeln eines Tieres zwei kleine frisch geschlüpfte Baby-Pinguine, so schnuslig. Auf der anderen Seite des Hügel sind die Rockhopper/Felsenpinguine zuhause. Sie heissen so weil sie sich hüpfend vorwärts bewegen. Der ganze Hügel bis zum Meer hinunter ist einfach nur voller Pinguine, wow, dieser Anblick, und so lustig sehen sie aus mit ihren roten Augen und den gelben Bürsteli am Kopf. Roxanne erklärt uns dass diese Pinguine immer zwei Eier legen, ein kleines und ein grosses, sozusagen ein rechtes und eines als Reserve. Oftmals werden Eier von den Vögeln geholt und es gibt nur noch ein Ei zum ausbrüten. Wenn aus beiden Eiern kleine Pinguine schlüpfen, was selten der Fall ist, ist das Küken aus dem kleinen Ei von Anfang an benachteiligt, es ist kleiner und schwächer, bekommt weniger Futter ab und stirbt praktisch immer. Voller Ehrfurcht bewegen wir uns langsam zwischen den Pinguinen, sitzen mittendrin und haben viel Zeit zum Beobachten was da alles läuft in dieser Rockhopper-Kolonie, ein Genuss! Es wird gebadet, gezankt, gehüpft, Eier gehütet, gekuschelt und gedöst - ich könnte Stunden hier sitzen! Aber irgendwann ist es Zeit zu gehen, wir spazieren retour über die kleine Insel, machen noch ein Gruppenfoto und steigen ins Boot das uns in rasanter Fahrt zurück nach Puerto Deseado bringt, mit nochmals Delfinglück, Seelöwenglück und Albatrossen unterwegs, eine fantastische Tour!

Es folgen Pistenkilometer, sonnige Tage am Meer, kleine Abstecher…über Puerto San Julian, Puerto Santa Cruz und Rio Gallegos rollen wir südwärts und sind schon bald in der Nähe der Grenze zu Chile. Als letzter Abstecher fahren wir zur schön eingebetteten vulkanischen "Laguna Azul", Kapuze hoch, wir stemmen uns gegen den stürmischen Wind, spazieren entlang des Kraters und in die Tiefe zum See. Die Böen jagen das Wasser über den See und uns fast um, die Farben des Sees sind wie in der Karibik, und ein bisschen fühlen wir uns wie in Island, mittendrin im Vulkan.

Fast alle vom Schweizer Trüppli hat es hierher verschlagen, morgen ist Zeit für die Grenze. 

 

Feuerland wartet auf uns, der südlichste Zipfel von Südamerika!

   


Unsere Strecke vom 04. - 17. November 2024
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